2024 - geht's bei uns noch?
Der folgende Text firmiert nicht unter dem Gattung «Erbauungsliteratur». Dies ganz sicher, ganz bewusst und fast schon mit faustischer "Freude" nicht.
Ganz bewusst steht hier nichts über uns von Kontext Mensch, unser geschäftlich, strukturell und ideell durchaus sehr erfolgreiches Jubiläumsjahr 2024, unsere gemeisterten Herausforderungen und unsere bisweilen schmerzhaften, doch umso wertvolleren Lernprozesse; sei es auf Ebene der Unternehmung, sei es auf der Ebene des Individuell-Persönlichen.
Warum ist das so?
Nun, weil die genannten Aspekte, hier und heute, mit Blick auf den globalen Zustand von Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Ökosystem unseres Zuhause, des Planeten Erde, einfach nur folgendes sind:
Definitiv egal.
Ohne weiterreichende Bedeutung.
Entleert von tiefergehendem Sinn.
Frei von übergeordnetem Wert.
Bar zählenden Inhalts.
Komplett irrelevant.
Kurz: Sollten Sie am Jahresende, kurz vor Weihnachten, dem christlichen Fest der Liebe und Anteilnahme, hier, in diesem letzten Newsletter von Kontext Mensch diesen Jahres, auf einen jener wohlfeilen, optimistisch-hyggelig-warmen und glattgebügelten Texte hoffen oder gar einen solchen erwarten, nun der klar gesetzte Hinweis: hören Sie auf zu lesen.
Jetzt.
Sofort.
Umgehend.
Und: Unbedingt.
Und zwar nach genau diesem Satz, denn: es wird ungemütlich. Und irritierend. So ungemütlich und irritierend, wie das Jahr 2024 nur sein konnte – und die kommenden Jahre ziemlich sicher sein werden, so ist zu befürchten.
Sollten Sie trotz Warnung bis hierhin weitergelesen haben… Bitte am Schluss nicht meckern, es erging ein entsprechender Hinweis...
Nun also, machen wir zusammen einen kurzen Rückblick - der Lesbarkeit halber nur auszugsweise - auf das noch laufende Jahr 2024 n. Chr. – oder entsprechend abweichend zählend, wenn man kulturell-religiös alternativen Zeitrechnungen folgen sollte.
Was bisher geschah:
Januar 2024: Das sogenannte «Weihnachtshochwasser» sorgt in weiten Teilen Nord- und Mitteldeutschlands sowie den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Tschechien für Milliardenschäden, Obdachlose und Todesfälle. Gleichzeitig wird der Nachweis geführt, dass die Durchschnittstemperatur der Erdoberfläche global betrachtet seit Beginn der Aufzeichnungen an 50% der Tage im Jahr um 1,5% höher liegt als in der Zeit vor Beginn der Industrialisierung.
Februar 2024: Der Ukraine-Krieg – weniger als drei Flugstunden von Bern tobend – geht in sein drittes Jahr, mit zehntausenden an getöteten Zivilist*innen und Soldat*innen, zunehmende Drohungen mit nuklearen Eskalationen von russischer Seite eingeschlossen.
März 2024: Bei der Präsidentschaftswahl in Russland verteidigt der Amtsinhaber Wladimir Putin sein Amt mit nahezu 90% Stimmenanteil.
April 2024: Iran führt militärische Vergeltungsschläge auf Israel aus als Vergeltung auf einen Angriff auf die iranische Botschaft in Damaskus.
Mai 2024: Starke Regenfälle führen in Süd- und Westdeutschland zu schweren Überschwemmungen, Erdrutschen und schweren Schäden an Natur und Infrastruktur.
Juli 2024: Das Vereinigte Königreich wird von tagelangen rechtsextremen und fremdenfeindlichen Unruhen erschüttert; vor Krieg, Armut und Hunger Geflüchtete werden durch Strassen gejagt, Aufnahmeeinrichtungen werden belagert und von Gewalttäter*innen teilweise erstürmt.
September 2024: Tagelanger Dauerregen führt in Mitteleuropa erneut zu schweren Überschwemmungen, Österreich und seine östlichen Nachbarn sind besonders betroffen und müssen mehrere Tote beklagen. Auch Zentralafrika ist von schweren Unwettern betroffen, der Verlust an Menschenleben übersteigt die Zahl an Toten in Europa um ein Vielfaches.
Oktober 2024: Die Flutkatastrophe in Spanien fordert nahezu 300 Tote.
November 2024: Donald Trump wird erneut und mit deutlichem Vorsprung vor seiner Konkurrentin Kamala Harris zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt.
Vor dem Hintergrund dieser komplett inkompletten, sehr selektiven sowie massiv oberflächlichen Zusammenstellung von mehr als nur beunruhigenden Entwicklungen um uns herum – bei deutlich näher kommenden, immer gefährlicher näher kommenden Einschlägen – steigt unwillkürlich und mit nahezu endzeitlichem Furor die Frage auf:
Sagt mal, geht’s eigentlich noch?!
Und zwar im Sinne von: Geht’s – bei – uns noch?!?
Oder aber leider und auch:
Geht’s uns immer noch deutlich zu gut?!?!
Geht es uns zu gut, um folgendes – endlich – zu tun?
Die richtigen, weil überlebenswichtigen Fragen zu stellen – gesellschaftspolitisch und ökologisch?
Eine ehrliche Unterscheidung vorzunehmen zwischen den Aspekten «nice to have» und absolutem «must have», unsere weitere Existenz ökologisch wie gesellschaftlich betreffend?
Festzustellen, dass die sozialarbeiterische Kerntugend der Priorisierung von Problemen wirklich Sinn macht, auch und gerade abseits der professionellen Arbeit mit Menschen?
Die Erkenntnis reifen zu lassen, dass sich die subjektive Überzeugung, selbst und immer zu den Rechtschaffenen und moralisch Integreren zu gehören, oftmals ins Gegenteil verkehrt?
Die Wahrnehmung zuzulassen, dass die eigene Blase an Haltungen, Werten und Zielen gegebenenfalls im Vergleich zu anderen «Konstrukten» dieser Art nur ein «Bläschen» ist?
Anzuerkennen, dass existenzielle Fortschritte auf dem Weg hin zu einer auch weiterhin lebenswerten Umwelt und Gesellschaft nicht mit mehr Lautstärke und mehr Polarisierung zu erreichen ist, sondern nur durch taktisch kluges Handeln und dem Suchen nach Verbündeten sowie Allianzen an unerwarteten Orten?
Oder aber, schlicht und einfach, den Gedanken reifen zu lassen, dass wir so wir bisher, so wie 2024 nachgewiesen, auf gar keinen Fall mehr weitermachen können? Auf keiner Ebene? Bei kaum einem Thema mehr?
Weder als Gesellschaft, noch individuell?
Unabhängig von Geschlechtszugehörigkeit und -identität?
Unbenommen von politischen Tendenzen und Agenden?
Wenn – oder und leider viel eher: falls – uns allen das gelingen sollte – Heute! Umgehend! Jetzt! – erscheint möglich, dass am Ende eines der kommenden Jahre ein Rückblick auf die Entwicklung eines schnöden Geschäftsjahres einer sozialen Unternehmung wie jenes von Kontext Mensch wieder von zählbarem Interesse ist.
Und nicht, wie aktuell der Fall:
Definitiv egal.
Ohne weiterreichende Bedeutung.
Entleert von tiefergehendem Sinn.
Frei von übergeordnetem Wert.
Bar zählenden Inhalts.
Komplett irrelevant.
Ihnen und uns allen wünschen wir tief besinnliche, reflektierende, selbstkritische Festtage. Hoffentlich nicht alleine, sondern möglichst vereint in kontemplativer Einkehr und selbstkritischer Rückschau.
Auf ein hoffentlich gemeinsam entsprechend spürbar kurskorrigiertes neues Jahr - denn wer weiss, wieviele uns allen zusammen noch bleiben…
Herzlich:
Ihre nachdenklichen Kontextolog*innen von Kontext Mensch